Ehrenamt des Monats: „Warum der 1. Mai auch für viele Igel ein Feiertag ist“

30. September 2024

Kathrin Effenberger von der Igelauffangstation Lugau erhält Auzeichnung

Der Igel ist das Wildtier des Jahres 2024. Im heimischen Garten macht er sich nützlich und vertilgt Schnecken und andere Kleintiere, die Schaden anrichten können. Seine Bestandsdichte ist rückläufig und er steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste gefährdeter Arten. Der Verein Stachel und Co. Erzgebirge e. V. setzt sich für die sympathischen Stachelträger ein und kümmert sich um verletzte und erkrankte Tiere.

 

Mehr als neunzig Jungigel versorgt Kathrin Effenberger aktuell in der Igelauffangstation in Lugau – hinzu kommen erwachsene Tiere, die verletzt bei ihr abgegeben werden. Ganz junge Exemplare pflegt sie bei sich zu Hause, da die Tiere auf Wärmematten angewiesen sind und ihr Zustand ständig überwacht werden muss. Seit fast zwanzig Jahren widmet sie sich dem Tierschutz – früher als Engagierte im Tierheim, seit 2019 als Vorsitzende im Verein Stachel und Co. Erzgebirge e. V.

 

Der Igel gehört zu den ältesten Säugetieren der Erde und ist von seinem Wesen her ein Raubtier, dass in den letzten fünfzig Jahren immer seltener wird. Insektizide, zunehmende Bodenversiegelung, naturferne bzw. falsch bepflanzte Gärten mit zu wenig Lebensraum für Insekten führen zu Nahrungsknappheit. Die nachtaktiven Tiere passen ihr Fressverhalten an und gehen auf die Jagd nach Schnecken oder Würmern, die wiederum in hoher Konzentration Innenparasiten übertragen. Oft ist die Folge, dass das Immunsystem des Igels überfordert ist und die Parasiten seinem Organismus zu viele Nährstoffe entziehen. Er wird schwächer, magert immer weiter ab, bis die Situation für ihn letztendlich lebensbedrohlich wird. Motorisierte Gartengeräte, Aufräumarbeiten und Baumaßnahmen in Gärten sowie zunehmender Straßenverkehr setzen den Beständen ebenfalls zu. Immer häufiger verursachen Mähroboter schwere und großflächige Verletzungen, die oftmals den Tod für die Tiere bedeuten, wenn sie nicht behandelt werden. Zur Aufzucht ihrer Jungen und für den Winterschlaf bauen die Igel Nester. Werden diese aufgedeckt oder zerstört und kehrt die Mutter nicht zu ihrem Nachwuchs zurück, sind die Jungtiere auf Hilfe angewiesen.

 

Kathrin Effenberger ist in der Auffangstation die Expertin für die Pflege. Sie befreit die Igel von Würmern und Flöhen, füttert sie, damit sie wieder zu Kräften kommen und kümmert sich darum, dass Verletzungen medizinisch versorgt werden – immer mit dem Ziel, die Tiere spätestens nach dem Winter wieder in ihren natürlichen Lebensraum zu entlassen. Um eine fachgerechte Versorgung sicherzustellen, hat die Lugauerin beim bundesweit tätigen Igelschutzverein PRO IGEL E. V. eine Ausbildung absolviert und sich über die Jahre ein profundes Fachwissen angeeignet.

 

Auf einem Pachtgrundstück in Lugau hat der Stachel und Co. Erzgebirge e. V. ein Gartenhaus von einer hiesigen Entsorgungsfirma geschenkt bekommen und mit Hilfe der Vereinsmitglieder zur Igelauffangstation umgebaut. Einige der Mitstreiterinnen und Mitstreiter von Kathrin Effenberger helfen bei Bauprojekten, Reparaturarbeiten und der Reinigung der Quartiere, erledigen Fahrten um Material zu beschaffen oder Futterspenden einzusammeln.  Andere unterstützen die Arbeit mit ihren Mitgliedsbeiträgen, um die Aufwendungen für Futter und Tierarztkosten zu refinanzieren. Da Insekten in den notwendigen Mengen nicht zu beschaffen sind, steht Katzenfutter ganz oben auf der Speisekarte der Stachelfelle.

 

Um den Wert des Engagements weiß auch der Bürgermeister der Stadt Lugau, Thomas Weikert: „Es ist wirklich bewundernswert, wie viele Jahre sich Frau Effenberger ehrenamtlich in der Igelhilfe engagiert! Ihr unermüdlicher Einsatz trägt entscheidend dazu bei, dass verletzte oder hilfsbedürftige Igel gerettet und in der Igelstation in Lugau versorgt werden. Solches Engagement ist wichtig für den Schutz bedrohter Tiere wie den Igel und zeigt, wie viel Herzblut und Hingabe in der ehrenamtlichen Arbeit steckt.“

 

Gelingt es, die Igel in der Auffangstation erfolgreich zu überwintern, können diejenigen, die ein Tier abgegeben es ab Mai des Folgejahres wieder abholen, um den Igel im eigenen Garten wieder in die Freiheit zu entlassen. Haben die Finder selbst keine geeigneten Voraussetzungen dafür, gibt es eine Interessentenliste – vor allem Kleingartenvereine übernehmen gern Patenschaften für die Tiere. Der Termin ist dabei ganz bewusst gewählt: Zum einen haben die meisten dann ihren Winterschlaf beendet, zum anderen sind die Hexenfeuer vorbei, denen viele Tiere zum Opfer fallen, da die aufgetürmten Holzhaufen für sie einen vermeintlich idealen Unterschlupf bieten. Der 1. Mai ist somit auch für die Stachelfelle ein besonderer Tag – für sie bedeutet er die Rückkehr in die Freiheit.

 

Als Lehrerin im Ruhestand weiß Kathrin Effenberger auch, wie wichtig es ist, über das Engagement im Wildtierschutz aufzuklären. Jedes Jahr führt sie zu dem Thema ein Projekt am Gymnasium in Zwönitz durch und hält Vorträge in Kindergärten und Schulen. Unter dem Titel „Ein Leben ohne Tiere ist möglich aber sinnlos“ hat sie sogar ein Buch verfasst, das 2016 erschienen ist.

 

„Die Zeit, die Frau Effenberger aufwendet, um die Tiere zu pflegen und das Fachwissen, das es dafür braucht, sind immens“, zeigt sich Landrat Rico Anton vom Engagement der Lugauerin beeindruckt. „Da die Mittel des Vereins oft nicht ausreichen, um die Kosten für Bauprojekte, Futter und Tierarztkosten zu decken, würde es mich persönlich sehr freuen, wenn sich auch weiterhin Menschen finden, die bereit sind die Igelauffangstation, zum Beispiel in Form von Futter- oder Sachspenden zu unterstützen.“ Auf der Homepage des Vereins findet sich dazu auch eine Wunschliste.

 

Für ihr verantwortungsvolles und selbstloses Engagement wurde Kathrin Effenberger mit dem „Ehrenamt des Monats August“ ausgezeichnet. Sie erhielt von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises ERZgeBÜRGER.

 

Um ein noch besseres Bild von ihrem Engagement zu bekommen, hat die Fachstelle Ehrenamt mit Kathrin Effenberger ein ausführliches Interview geführt.

 

Die Möglichkeiten sich im Tierschutz zu engagieren sind vielfältig. Warum ausgerechnet Igel?

Frau Effenberger: „Zu der Zeit als ich mich noch im Tierheim engagiert habe, haben Leute Igel bei uns abgegeben. Anfangs wusste niemand, wie man die Tiere richtig versorgt, dabei hat die artgerechte Pflege so einige Tücken und ist für erkrankte Tiere überlebensnotwendig. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis und ich habe angefangen, mich mit der Biologie der Tiere intensiver auseinanderzusetzen.“

 

Wie kam es zur Idee eine Igelauffangstation einzurichten?

Frau Effenberger: „Die Pflege von Wildtieren ist im Tierschutz noch immer eine Art Marktlücke. Nachdem sich herumgesprochen hat, dass ich mich mit der Pflege von Igeln auskenne, haben die Leute die Tiere vermehrt zu mir gebracht, auch als ich später nicht mehr für das Tierheim tätig war.“

 

Was meinen Sie mit „Marktlücke“?

Frau Effenberger: „Die meisten Tierheime sind nicht darauf ausgelegt, Wildtiere zu versorgen. Es ist darüber hinaus auch schwierig Tierärzte zu finden, die die Igel behandeln, da sich deren Ausbildung vorwiegend auf Haus- und Nutztiere konzentriert, weniger auf Wildtiere.“

 

Gibt es auch hoffnungslose Fälle, die zu Ihnen kommen?

Frau Effenberger: „Wenn der Stoffwechsel der Tiere unter ein bestimmtes Level gesunken ist und sie zu sehr geschwächt sind, kann man ihnen nicht mehr helfen. Auch Igel, die beispielsweise durch Mähroboter ihre Nase verloren haben, sind in der Natur nicht mehr lebensfähig, da sie die Nahrung fast ausschließlich mit Hilfe ihres Geruchssinns aufspüren.“

 

Inwieweit schaffen Futterstationen oder Igelhäuser Abhilfe?

Frau Effenberger: „Wenn man weiß, dass man Jungigel im Garten hat, sind Futterstationen eine vorübergehende Hilfe. Gefüttert werden sollte mit Katzenfutter, keinesfalls mit Milch oder Essensresten, um die Jungtiere für den Winterschlaf groß und fit werden zu lassen – bis Ende Oktober sollten sie ein Gewicht von mindestens 550 Gramm erreichen. Igelhäuser müssen fachgerecht gebaut sein und bringen nur dort etwas, wo die Tiere keine natürlichen Rückzugsorte mehr haben. Besser ist es immer den Garten naturnah anzulegen oder zumindest Teile davon ein Stück weit der Natur zu überlassen, z.B. eine Blühwiese für Insekten stehen oder auch mal einen Laubhaufen liegen zu lassen.“

 

Die Pflege der Igel ist sehr zeitaufwändig. Könnten Sie Unterstützung gebrauchen?

Frau Effenberger: „Das auf jeden Fall. Es brauchte jemand, der bereit ist, sich das notwendige Wissen anzueignen und bereit wäre, sich dauerhaft und verlässlich bei der Pflege der Tiere einzubringen.“

 

Wie gehen Sie damit um, wenn die Mittel des Vereins und die Spenden nicht reichen, um die Tiere adäquat zu versorgen?

Frau Effenberger: „Das Geld reicht leider nie ganz aus. Ich zahle Jahr für Jahr auch einen nicht unerheblichen Betrag aus meiner eigenen Tasche. Sofern es in deren Ermessen liegt, versuchen uns aber auch die Tierärzte, die uns betreuen, entgegen zu kommen.“

 

Macht es sie traurig, wenn Sie die Tiere nach monatelanger Pflege wieder in die Freiheit entlassen?

Frau Effenberger: „Igel sind nun mal Wildtiere und keine Haustiere. Sie drehen sich auch nicht um, wenn sie ausgewildert werden. Man darf da nicht rührselig sein und sollte eher an das Tier denken anstatt an sich selbst. Ich freue mich für die Tiere, wenn wir sie so weit gebracht haben, dass sie das ihnen bestimmte Leben wieder führen können.“

 

 

Quelle: Fachstelle Ehrenamt / wu

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